Planungsbegleitendes FM: Nutzerplanung
Facility Management: Planungs- und Baubegleitung » Strategie » Phase: Strategische Planung » Nutzerplanung

In Betreiberimmobilien– beispielsweise in Fertigungsstätten, Logistikzentren und Produktionshallen – spielen betriebliche Abläufe, Sicherheits- und Umweltschutzanforderungen (EHS) sowie prozessspezifische technische Installationen eine zentrale Rolle. Genau hier setzt das Planungs- und baubegleitende Facility Management an, um bereits in den frühen Projektphasen sicherzustellen, dass Produktions-, Wartungs- und Organisationsprozesse in die Planung einfließen und später reibungslos funktionieren. Im Folgenden werden die Chancen und Risiken einer (erstmaligen) Nutzerplanung pro Leistungsphase (LPH 1–9 der HOAI) aus FM-Perspektive skizziert, wobei der Fokus auf die Besonderheiten des Industriebau-Kontexts gelegt wird.
Aus Sicht des Planungs- und baubegleitenden Facility Managements im Industriebau ist es entscheidend, die Nutzerplanung (funktionale Bedarfsplanung) möglichst frühzeitig zu verankern – idealerweise bereits in LPH 1 und 2. Dies gilt umso mehr, als in industriellen Gebäuden spezielle Anforderungen (Maschinenfundamente, Prozessmedien, Fördertechnik, Explosionsschutz etc.) und hochgradig koordinationsintensive Fachplanungen ineinandergreifen müssen.
Eine späte Einbindung des FM in LPH 3 oder sogar noch später führt zwangsläufig zu teuren Planungsänderungen, potenziellen Bauverzögerungen und möglicherweise fehlangepassten oder unflexiblen Gebäuden, die die Wirtschaftlichkeit im Betrieb beeinträchtigen. Eine durchgängige FM-Begleitung – von der frühen Planungsphase bis zum erfolgreichen Produktionsanlauf und darüber hinaus – gewährleistet hingegen, dass das Objekt betriebsoptimal, nachhaltig und zukunftssicher gestaltet wird.
- Industriebau
- Nutzerplanung
- Vorplanung
- Entwurfsplanung
- Genehmigungsplanung
- Ausführungsplanung
- Vorbereitung
- Objektüberwachung
- Objektbetreuung
- Gesamtempfehlung
Hochkomplexe Anforderungen: In modernen Industrie- und Fertigungsgebäuden bestehen meist vielfältige Anforderungen an die Gebäude- und Betriebstechnik:
Hohe Traglasten und Belastungsreserven (z. B. für Maschinen, Regalsysteme, Kranbahnen).
Spezielle Medienversorgung (z. B. Druckluft, Kühlwasser, Prozessgase).
Logistik- und Verkehrsflächen: Rangier- und Transportwege für Flurförderzeuge oder Schienensysteme.
Automatisierung, Robotik, digitale Steuerungssysteme.
Brandschutz und Explosionsschutz (ATEX) oder andere sicherheitstechnische Vorgaben.
Rolle des FM:
Bedarfsanalyse & Nutzerkoordination: Das FM-Team koordiniert Belange von Produktions-, Logistik-, Qualitäts- und HSE-Abteilungen (Health, Safety, Environment), um sicherzustellen, dass alle betrieblichen Anforderungen an das Gebäude früh bekannt sind.
Lebenszyklusorientierung: Zugleich bewertet das FM die späteren Bewirtschaftungs- und Instandhaltungskosten (Total Cost of Ownership), um eine wirtschaftliche und wartungsfreundliche Planung zu gewährleisten.
Schnittstelle zu technischen Fachplanern: Im Industriebau sind oft zahlreiche Sonderfachplaner erforderlich (z. B. Fördertechnik, Klimatisierung hochsensibler Bereiche, Reinraumtechnik, Labore). Das FM koordiniert deren Anforderungen mit den Betriebsabläufen.
Leistungsphase 1: Grundlagenermittlung - Typische FM-Aufgaben
Identifizierung aller grundsätzlichen Produktions- und Betriebsprozesse, die in der Immobilie ablaufen sollen (z. B. Linienproduktion, Just-in-Time-Logistik, Lagerstrategien).
Erste Einschätzung spezieller technischer Anforderungen (Druckluft, Kühlsysteme, Prozesswärme, Abgasbehandlung, Explosionsschutz).
Berücksichtigung möglicher Erweiterungs- oder Umnutzungsszenarien (z. B. flexible Hallensegmente, modulare Produktionsstraßen).
Vorteile
Frühzeitige Prozessintegration: Fehlplanungen (z. B. zu geringe Hallenhöhen, unpassende Statik, fehlende Medienleitungen) lassen sich vermeiden.
Erste Weichenstellung: FM kann betriebsrelevante Parameter definieren, etwa Zugänglichkeiten für Wartung und technisches Servicepersonal.
Nachteile
Unklare Anforderungen: Gerade in frühen Industriebauprojekten sind Produktionsverfahren oder Maschinen noch in Entwicklung oder nicht endgültig festgelegt.
Hoher Koordinationsbedarf: Das FM muss viele Stakeholder (Produktionsleitung, Logistik, Arbeitssicherheit, Umweltmanagement) einbinden.
Typische FM-Aufgaben
Erstellung oder Verfeinerung eines funktionalen Layouts (z. B. Maschinenaufstellpläne, Materialflüsse, Anliefer- und Versandbereiche, Sozialräume).
Abstimmung mit Sonderfachplanern (z. B. für Fördertechnik, Brandschutzkonzepte), um Grobkostenschätzung und Terminpläne zu erstellen.
Prüfung von Alternativen (z. B. unterschiedliche Hallenlayouts, automatische vs. manuelle Förderstrecken) unter Berücksichtigung von Investitions- und Betriebskosten.
Vorteile
Konkrete Varianten: Das FM kann bestehende Planungsskizzen bewerten und optimieren (z. B. kurze Wege, ausreichend Rangierflächen, anforderungsgerechte Raumhöhen).
Schnittstellenklärung: Integration externer Partner (Maschinenlieferanten, Logistikkonzepte) ist möglich, ohne dass schon ein verbindlicher Entwurf steht.
Nachteile
Zeit- und Koordinationsintensiv: In Industriebauprojekten arbeiten häufig mehrere externe Fachplaner parallel. Das FM muss hier den Informationsfluss aufrechterhalten.
Kosten- und Risikobewertung: Falsche Priorisierung der Nutzerwünsche kann zu überdimensionierten Hallen, Systemen oder Sicherheitsreserven führen – Balance zwischen notwendiger Kapazität und Wirtschaftlichkeit ist kritisch.
Typische FM-Aufgaben
Abnahme und Feinjustierung von Layout, Anlagenintegration, Verkehrs- und Lagereinrichtungen in enger Zusammenarbeit mit den Produktionsverantwortlichen.
Kosten- und Terminabgleich: Detaillierte Kostenberechnung und Bauablaufplanung.
Bewertung von Instandhaltungs- und Bewirtschaftungskonzepten (z. B. Ob Maschinengruben, Dachinstallationen oder Krananlagen langfristig betriebssicher und wartungsfreundlich sind).
Vorteile
Konkrete Pläne: Produktions- und Maintenance-Teams können jetzt sehr genau visualisieren, wie die spätere Halle bzw. das industrielle Gebäude aussieht.
Fehlerminimierung durch BIM / 3D-Modelle: Das FM kann kollisionsfreie Lösungen (z. B. Trassenführung, Zugangswege) gemeinsam mit den Fachplanern absichern.
Nachteile
Kostenintensivere Änderungen: Werden erst jetzt fundamentale Nutzerwünsche erkannt, kommt es zu erheblichen Umplanungen (z. B. Versetzen tragender Bauteile, Maschinenfundamente).
Zeithorizont: In Industriebauvorhaben herrscht oft hoher Zeitdruck, damit Produktionsanläufe termingerecht starten können.
Typische FM-Aufgaben
Unterstützung bei Anträgen für Bau- und Betriebs-Genehmigungen (ggf. immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren, Brandschutz, Umweltauflagen).
Kommunikation mit Behörden und Prüfsachverständigen (z. B. Explosionsschutz, Gefahrstofflager).
Vorteile
Kaum aus FM-Sicht, da die Planung weit fortgeschritten ist. Das FM kann hier höchstens auf korrekte Integration der genehmigungsrelevanten Betriebsprozesse achten.
Typische FM-Aufgaben
Detailplanung von Maschinenaufstellbereichen, TGA-Trassen, Schacht- und Wartungskonzepten.
Abstimmung über Montage- und Inbetriebnahmelogistik: Wie werden schwere Maschinen in die Halle gebracht, wo stehen Zwischenlager?
Vorteile
Feinjustierung: Das FM kann noch Einfluss auf Materialien, Oberflächen, Ausstattungsdetails nehmen (z. B. strapazierfähige Bodenbeschichtungen, beleuchtungstechnische Optimierungen).
Nachteile
Spät entdeckte Anforderungen sind teuer: Fundamental neue Maschinen-Layouts oder Produktionsverfahren führen zu Änderungen von Tragwerk, Fundamente, Versorgungssystemen – mit hohen Kostenfolgen und Terminverschiebungen.
Parallelität: Meist läuft auch schon die Ausschreibung an (LPH 6), was Korrekturen kompliziert macht.
Typische FM-Aufgaben
Leistungsbeschreibungen prüfen, ob alle FM-relevanten Punkte (Wartungsverträge, technische Standards, Ersatzteilversorgung, Servicelevel) enthalten sind.
Bewertung von Lifetime-Kosten bei der Auswahl von Produkten und Anlagensystemen (bspw. energieeffiziente vs. einfache Lüftungsanlagen).
Mitwirkung in Vergabeverhandlungen, um z. B. vertragliche Garantien für Maschinenfundamente, Krananlagen oder TGA-Komponenten zu sichern.
Vorteile
Qualitätssicherung: Letzte Korrekturen an Leistungsbeschreibungen, um spätere Nachträge zu verringern.
Optimierte Servicevereinbarungen: Ausschreibung kann FM-orientierte Leistungen (z. B. Wartungsintervalle, Remote-Monitoring) enthalten.
Typische FM-Aufgaben
Baukontrolle und Abnahmen: Prüfen, ob z. B. Maschinenfundamente, Versorgungsleitungen und Sicherheitsausstattungen korrekt realisiert wurden.
Organisation der Inbetriebnahme und Übergabe an das spätere Betriebspersonal (Schulungen, Betriebsanleitungen, Wartungspläne).
Vorteile
Realitätscheck: Das FM erkennt frühzeitig Ausführungsdefizite, die den späteren Betrieb stören könnten (z. B. unzureichende Wartungszugänge).
Weniger Planungsaufwand: Größtenteils geht es um Kontrolle, nicht mehr um Neuentwicklung.
Typische FM-Aufgaben
Betreuung während der Gewährleistung: Mängelmanagement, Dokumentation, Anlagen- und Betriebsmittelprüfungen.
Ermittlung von Optimierungspotenzialen für künftige Projekte oder mögliche Umbauten.
Vorteile
Erfahrungen sammeln: Im realen Produktionsbetrieb kann das FM Daten über Auslastung, Energieverbrauch und Wartungsbedarf gewinnen und daraus lernen.
Grundlage für Retrofit: Falls der Produktionsprozess erweitert oder angepasst werden soll, liefern die Erkenntnisse aus LPH 9 wertvolle Hinweise.
Gesamtempfehlung aus FM-Sicht
Frühe Einbindung des FM: Industriebau-Projekte sind häufig durch komplexe Produktionsabläufe und Spezialanforderungen geprägt. Das Facility Management sollte von Beginn an (spätestens LPH 1) dabei sein, um die betriebsrelevanten Themen einzusteuern.
Abschluss der Nutzerplanung bis Ende LPH 2: Die großen Stellschrauben (Layout, Tragwerke, Medien, Brandschutz, Logistik- und Sicherheitskonzepte) müssen klar sein, bevor LPH 3 startet. Änderungen in LPH 3 oder später treiben Kosten und Terminkalender empfindlich nach oben.
Detaillierte Dokumentation der Anforderungen: In Industriebauten ergeben sich viele technische und organisatorische Schnittstellen (z. B. Maschinenlieferanten, Prozessplaner, externe Sicherheitsprüfer). Alle Anforderungen sollten transparent in Raumbüchern, Lastenheften oder BIM-Modellen dokumentiert sein.
Vermeidung von Nachträgen und Terminüberschreitungen: Ab LPH 4 (Genehmigungsplanung) steigen die Nachtragsrisiken deutlich. In Industriebauprojekten mit knapp kalkulierten Produktionsstarts können späte Änderungen die Inbetriebnahme verzögern und enorme wirtschaftliche Schäden verursachen.
Lebenszykluskosten im Blick: Das FM hat neben dem reinen Maschinen- und Baukostenblick auch die Betriebskosten zu berücksichtigen (Energieeffizienz, Wartungsintervalle, Personalkosten für Reinigung/Wartung, Ersatzteilhaltung usw.). Dies reduziert langfristig die Kosten und verbessert den Return on Investment.
Nutzungserfahrung im Betrieb: In LPH 9 sollte das FM systematisch Betriebs- und Nutzungsdaten erfassen, um kontinuierliche Verbesserungen vorzunehmen und künftige Umbauten oder Erweiterungen auf fundierter Basis zu planen.